Samstag, 21. April 2012

Das Phantom

   Phantom - Graft Architects für stilwerk (via stilwerk)


100 kg schwer, 3 Meter lang, limitiert auf 9 Stück - das sind die Daten des Supertisches Phantom der Graft Architekten. Inspiriert von Marilyn Monroes legendärer Szene aus "Das verflixte siebte Jahr" schwebt, der aus Kohle- bzw. Glasfaserverbundwerkstoff aufwendig gefertigte Tisch, wortwörtlich zwischen Realität und Illusion und schafft es sofort den Betrachter zu verblüffen. Dieser Wirkung konnte sich auch Brad Pitt nicht entziehen und blätterte stolze 47.000 € für sein Exemplar hin. Absolut nachvollziehbar!
Denn wieder einmal zeigt sich: Erst die Symbiose von Kunst und Technologie ermöglicht die Entstehung solch unkonventioneller und wegweisender Designobjekte.

Sonntag, 15. April 2012

30° 36′ 12.37″ N, 104° 31′ 6.52″ W


Falls ihr euch jetzt fragt, was es an diesem verlassenen Ort, mitten in der Wüste von Texas an der U.S. Route 90, zu sehen gibt, dann geht es euch genau wie mir, als ich das erste Mal davon hörte. Macht man sich jedoch die Mühe und zoomt etwas näher heran, so entdeckt man plötzlich einen rechteckigen Gebäudegrundriss am Straßenrand. Wechselt man nun noch in den Straßenmodus, so hat man des Rätsels Lösung: Prada seht dort in großen Lettern über zwei Schaufenstern. Eine Prada Boutique mitten im Nirgendwo, nahe des knapp 2000-Seelen-Dörfchens Marfa in Texas. Statt Prada Mailand, Paris oder New York, also Prada Marfa.

Ergibt irgendwie immer noch keinen richtigen Sinn?

Deshalb nun die Auflösung der kleinen Schatzsuche. Der Prada Marfa Store ist eine unzugängliche Installation der dänisch-norwegischen Designer Elmgreen & Dragset, welche im Oktober 2005 eröffnet wurde. Sie ist eingebunden in den Kunstpark der Chinati Foundation und ausgestattet mit - von Miuccia Prada persönlich ausgewälten - Handtaschen und Schuhen der Prada Herbstkollektion von 2005, welche unverändert bis heute dort im Schaufenster stehen.
Denn elementarer Bestandteil des Konzeptes, ist die Unveränderlichkeit der "Vitrine": So war von Beginn an geplant, das minimalistische Gebäude ohne weitere Instandhaltungsmaßnahmen altern zu lassen und so dem natürlichen Zerfall preiszugeben - soweit zumindest der Plan.

Denn nur wenige Tage nach Eröffnung wurde die Installation von Vandalen aufgebrochen, besprüht und ausgeräumt. Daraufhin beschloss man die Schäden zu reparieren, das Diebesgut zu ersetzen und zur Sicherheit ein Alarmsystem zu installieren. So viel Eitelkeit muss man den Beteiligten wohl zugestehen.

Prada Marfa - heute geschlossen   (wikipedia.de, von Marshall Astor)

Erste - nun gewünschte - Anzeichen des Verfalls im Januar 2012  (via wikipedia, von LifeHarmonizes)

Dienstag, 10. April 2012

Wiederentdeckung der Ecke - Teil II


Rund, geschmeidig, ohne Ecken - das sei modern und innovativ - so der Tenor in Designfragen zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Demnach entstanden nun ergonomische Rasierapparate, abgerundete Kaffeemaschinen und eckenlose Bildschirme, die teilweise eher an futuristische Raumschiffe, als an Alltagsgegenstände erinnern.
Einer der Trendsetter dabei war und ist die Firma Apple, die mit ihren innovativen Designs die Gestaltung von Produkten maßgeblich beeinflusst. Essentiell dabei die stets gerundeten Kanten und Ecken, wie beispielsweise beim transparenten iMac der späten 90er Jahre oder bei der iPod Familie, deren abgerundete Aussenhüllen, wie aus einem Guss zu sein scheinen. Diesem Kozept folgte Apple zumindest recht konsequent bis in die späten 00er jahre, etwa als das iPhone 4 auf den Markt kam. Im Gegensatz zu allen Vorgängern und den anderen Apple Produkten, verzichtet das iPhone 4 auf die sanften - für Apple typischen - Rundungen auf den Geräteflächen und ist stattdessen auf Ober- und Unterseite spiegelglatt. Aufällig auch die Evolution des iMacs, welcher im Laufe der Jahre immer mehr Rundungen verlor.


(via apple.com, alle Bildrechte liegen bei Apple Inc.)

Ist es also vorbei mit organischem Design, vorbei mit der Epoche des "Form follows Fluid" , wie Designer Karim Rashid das Grundgesetz des organischen Designs bezeichnet?
Dies zu behaupten, wäre wohl etwas voreilig, aber dennoch gibt es Anzeichen, dass das Prinzip des Organischen ernsthafte Konkurrenz bekommt - nämlich von den Polygonalen Designs. Polygon kommt aus dem Altgriechischen und bezeichnet in der Geometrie einfach ein Vieleck. Polyeder haben keinerlei Rundungen, sondern bestehen nur aus Vielecken, die stufenlos zusammengesetzt, ein vefremdetes Modell eines organischen Körpers ergeben.
Aus Kugel wird Polyeder (via wikipedia.de, Urheber: Thomas81, Pappy77)
So lässt sich jede gekrümmte Oberfläche durch eine Vielzahl gerader Flächen darstellen, wodurch eine neue, ungewohnte und oft spannungsvolle Darstellung erreicht wird.
Statt anschmiegsam und weich wirken polygonale Objekte stark, kantig und abstrakt. Das nutzen Designer und Architekten, um ihre Produkte, z.B. von organisch geformten, abzuheben und ihnen bestimmte Eigenschaften zu verleihen.


Bauten des Architekten Norman Foster - organisch bei "The Gherkin" in London (erbaut 2001-2004) und polygonal beim "Hearst Tower" in New York ( erbaut 2003-2006) (via wikiepdia, Urheber H005, Alsandro)

Entfernt erinnern die polygonalen Strukturen auch an Kristalle und Edelsteine, die mit ihren spiegelnden, glatten Flächen die Menschheit seit jeher faszinieren. Auch deshalb hat mich das Polyeder-Design sofort begeistert und ich freue mich auf die weitere Entwicklung und Verbreitung. Natürlich werde ich gespannt das Duell organisch vs. polygonal verfolgen und euch auf dem Laufenden halten!

Jetzt würde mich natürlich noch interessieren: Was haltet ihr davon? Ich freue mich auf Kommentare und persönliche Meinungen!

Montag, 9. April 2012

Wiederentdeckung der Ecke - Teil I


Im Design gibt es grundsätzliche Strömungen, die die Formensprache einer gewissen Zeit bestimmen. In den letzten Jahrzehnten waren dies ganz klar die rundlichen, geschwungenen - genannt organischen - Formen.
Um diesen Trend zu verstehen, müssen wir in der Zeit etwas zurückgehen; um genau zu sein in die 60er Jahre. Damals kamen die neuen Kunstwerkstoffe wie Polyester oder Polypropylen auf den Markt und beflügelten, die gegen konventionelle, starre Muster aufbegehrende Jugendkultur, mit den neuen Materialien zu experimentieren und zu provozieren. Man hatte genug von geradlinigen Eichenholztischen, biederen Polstersesselen und Kommodenschränkchen und so nutzte man die neuen Werkstoffeigenschaften, um rundlich geformte und quietschbunte Objekte zu entwerfen. Folglich enstanden beispielsweise der legendäre "Ball Chair" von Eero Aarnio (1962), der Panton Chair von Verner Panton (1967) oder die bekannten halbkugeligen Hängeleuchten der 60er.


Zu dieser Zeit nahm die organische Formgebung endgültig Einzug in unseren Alltag. Doch was fasziniert uns so an den runden Formen?
Sie sind vor allem eines: Natürlich. Im Gegensatz zu den konstruierten und in der Natur nicht vorkommenden geometrischen Figuren, wie Quader oder Würfel, erinnern uns die rundlichen, fließenden Formen an treibendes Wasser, an Früchte oder Körperteile. Sie sind uns also, schon von Grund auf, vertraut. Rund statt eckig war deshalb das Grundkonzept für Designer und Architekten der letzen Jahre. Noch weiter beflügelt vom Trend zur  Natur, bot dies einen idealen Nährboden für organische Formgebung wie bei den Gebäuden des amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright und der irakischen Architektin Zaha Hadid, den Möbeln des britischen Designers Ron Arad oder der Neuauflage des Volkswagen Käfers "New Beetle".


Sonntag, 8. April 2012

Print-à-Porter

MICRO Kollektion - Iris van Herpen S/S 2012 (via BART OOMES, irisvanherpen.com)
Ich bin immer wieder beeindruckt, was die niederländische Künstlerin, Designerin und Shootingstar der Haute-Couture Iris van Herpen mit ihrem Team und modernsten Techniken erschafft. Architektur und Mode standen schon immer in enger Verbindung und inspirieren und beeinflussen sich gegenseitig. Doch so wortwörtlich wurde dieses Verhältnis wohl noch nie umgesetzt. Tragbare Architektur.
Für das oben gezeigte Meisterwerk ließ sich van Herpen offensichtlich von gotischen Kathedralen, welche ab dem Beginn des 12. Jahrhunderts zunächst in Frankreich entstanden, inspirieren. Klar erkennbar sind die filigranen Strebebögen, Rippen und Spitzbögen, welche typisch für die gotische Baukunst sind. Durch sie wurde es erstmals möglich, massive tragende Elemente wie Pfeiler und sehr dicke tragende Wände aus dem Kirchenschiff durch Lastverteilung nach außen zu verlagern. Dadurch konnten luftigere Innenräume und größere Wandöffnungen für Fenster verwirklicht werden, was zu einem freieren und leichteren Raumgefühl führte. Analog dazu wirkt auch Iris van Herpens Kleid durch zahlreiche Öffnungen luftig und leicht. Gleichzeitig scheint es massiv und hart, wie aus einem Baumstamm herausgeschnitzt.

Auswahl typisch gotischer Stilemente

Doch genau dies ist eine faszinierende Illusion. Die Herstellung des "Kirchen-Kleides" hat nichts mit traditioneller Handwerkskunst zu tun, sondern ist ein High-Tech-Produkt durch und durch. Entworfen als dreidimensionales Modell am Computer und anschließend übertragen auf einen 3D-Drucker, der den digitalen Entwurf Schicht für Schicht mit einer Polyamid-Spritzpistole herstellt. Der weiße 3D-Rohling wird anschließend mit einer Kupferschicht überzogen, welche durch Oxidation die verschiedenen Kupfernuancen annimmt. 
So entstehen aus dem interdisziplinären Zusammenspiel von Technik, Kunst und Architektur beeindruckende Ergebnisse, welche wahrlich innovativ sind. Es bleibt spannend, was sich Iris van Herpen als nächstes einfallen lässt!

Märchenstunde mit Sahar Zukerman

Durch Zufall bin ich neulich auf einen jungen, aufstrebenden britisch-israelischen Künstler gestoßen: Sahar Zukerman. Er studiert Bildende Kunst in Berlin und gewann letztes Jahr den Schulz-Stübner-Preis für seine Malerei. Wie es der Zufall so will, stellt Zukerman gerade in der Galerie des Tempelhofs Museum aus, welchem ich heute einen Spontanbesuch abstattete.

St. Georges Battalion Vs. The Dragon - Sahar Zukerman (via hausamkleistpark.de)



Zukerman thematisiert in seiner Kunst oft mythologische oder märchenhafte Sagen und Geschichten: Prometheus, Drachen, Lanzen und Rüstungen sind nur eine kleine Auswahl seiner Bildsprache. Diese entnimmt er aus ihrem ursprünglichen Kontext und setzt sie zu neuen, überraschenden Kompositionen zusammen, wobei er diese sowohl klassisch in Öl, aber auch mit neuen Techniken, wie Digital Painting, umsetzt. 
Die Vielschichtigkeit seiner Werke lässt natürlich auch einiges an persönlichem Interpretationsspielraum offen - jedoch lässt sich sagen, dass Zukerman keine Märchenstunde eröffnet, sondern sich vielmehr mit dem Menschsein an sich, seinen Ängsten, Fürchten und inneren Kämpfen, auseinandersetzt. Ich persönliche deute die riesigen Drachenfiguren, als Bildnis für den inneren Schweinehund und alles was uns zurückhält und wogegen wir ständig versuchen anzukämpfen, um unsere Ziele zu erreichen.
Aber macht euch am Besten selber ein Bild davon und findet eure eigene Deutung. Gelegenheit dafür ist noch bis 13. Mai. Für weitere Informationen hier entlang.

Samstag, 7. April 2012

Die Rosa Röhre

Als Student der TU Berlin trifft man regelmäßig auf architektonische Kuriositäten. Nur selten gibt es in bester Berliner Citylage, derart viele Gegenüberstellungen verschiedenster Baustile und städtebaulicher Konzepte, wie zwischen Tiergarten und Ernst-Reuter-Platz. Eines dieser Bauwerke möchte ich euch heute vorstellen.

Rosa Röhre I - Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau (via Pressestelle TU Berlin)
Rosa Röhre II (via Pressestelle TUB)

Friedlich gelegen am Tiergartenufer, ragt der Umlaufkanal des Instituts für Wasser- und Schiffbau - auch bekannt als die "Rosa Röhre" - aus der Landschaft heraus. Entworfen von Ludwig Leo, gebaut von 1968-75, in der nicht zu übersehenden Formensprache des Funktionalismus. Aus heutiger Sicht mag das überdimensionale, den blauen, kubischen Baukörper durchdringende, Rohr beinahe bedrohlich wirken, für die vom Funktionalismus geprägte Architektur, die in den 1950er und 60er Jahren ihren Höhepunkt erreichte, war es jedoch die absolut konsequente Umsetzung des "form follows function" Prinzipes. So  steht das denkmalgeschützte Bauwerk heute als grotesker Vertreter seines Stils in der Landschaft.
Dennoch ist offensichtlich, dass der zunehmend verwitterte Umlaufkanal dringend einer neuen Verwendung zugeführt werden muss. Seine ursprüngliche Aufgabe als Versuchsanlage für das Strömungsverhalten von Schiffen haben inzwischen Computersimulationen übernommen und so wird die Anlage kaum noch genutzt. Eine temporäre Nutzung als Theaterbühne für die "Oper Dynamo West" und ein Ideenwettbewerb der UdK Berlin stellten bereits einen Anfang zur Erhaltung und Weiterentwicklung des einzigartigen Bauwerks dar.

Wünschen wir der Rosa Röhre also viel Gück für die Zukunft!